Pulsschlag Politik: Gesundheitsausschuss startet, GKV-Finanzdruck, Krankenhausreform + Debatte zu Primärarztsystem
Shownotes
Pulsschlag Politik ist der Podcast, der aktuelle gesundheitspolitische Themen in den Sitzungswochen des Deutschen Bundestages beleuchtet.
Udo Sonnenberg, Politikberater in Berlin und Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Versandapotheken (BVDVA), und Christoph Nitz, Journalist und Leiter des mecofactory-Redaktionsbüros, diskutieren dienstags in den Sitzungswochen über die wichtigsten Entwicklungen und Debatten rund um die Gesundheitspolitik.
In dieser Folge:
• Die Wahl von Dr. Tanja Machalet (SPD) zur neuen Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses im Bundestag und die Neubesetzung der gesundheitspolitischen Sprecherposten: Dr. Christoph Pantazis (SPD), Simone Borchardt (Union) und Dr. Janosch Dahmen (Grüne).
• Die aktuelle Agenda des Gesundheitsausschusses mit Schwerpunkten auf dem Pandemieabkommen, dem Schiedsspruch zum Vertrag über die Hebammenhilfe – insbesondere zur Situation der Beleghebammen – sowie dem Vertragsverletzungsverfahren der EU wegen nicht umgesetzter Anerkennung rumänischer Pflegekräfte.
• Die angespannte Finanzlage der gesetzlichen Krankenkassen: Forderung nach einer dreigleisigen Strategie aus Ausgabensenkung, sofortigen Finanzhilfen und Strukturreformen. Diskussion um Steuerzuschüsse, ein Notpaket für die GKV und Altschuldentilgung in der Pflegeversicherung. Finanzminister Klingbeil stellt klar: Mehr Geld nur gegen echte Reformen.
• Analyse der strukturellen Defizite: Zusatzbeitragserhöhungen, ein Finanzloch von rund 5,5 Milliarden Euro, ineffiziente Versorgung, Doppeluntersuchungen und unnötige Behandlungen. Kritik am späten Zeitplan der Reformkommission und der Ruf nach sofortigen Strukturreformen, um das System effizienter und gerechter zu machen.
• Die Krankenhausfinanzierung: Forderung der Länder nach einer Zwischenfinanzierung bis 2027, Kritik an zu niedrigen Investitionen der Länder, Beispiel Berlin mit abgesenkten Investitionsplänen, und die Warnung vor einer zementierten Schieflage durch den Bundesrechnungshof. Forderung, Fördermittel ausschließlich für Investitionen zu nutzen.
• Rückblick auf den 129. Deutschen Ärztetag in Leipzig: Erster großer Auftritt von Gesundheitsministerin Nina Warken, die auf Dialog setzt – besonders beim geplanten Primärarztsystem. Die Ärzteschaft ist gespalten: Hausärzteverband unterstützt das Modell, die KBV sieht Vorteile vor allem für ältere Patient:innen, fordert aber mehr Ressourcen und Digitalisierung. Kritik an drohender Überlastung der Hausärzte und Forderung nach Ausnahmen für multimorbide ältere Menschen.
• Die Novellierung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ): Beschluss des Ärztetags, Zustimmung der Ministerin, aber weiterhin politische Hürden. Sorgen vor Abwanderungseffekten in den Privatsektor und möglichen negativen Folgen für die Versorgung der GKV-Versicherten. Forderung der Ärzteschaft nach stärkerer Einbindung in Reformprozesse und Kritik an „Prüfaufträgen“ im Koalitionsvertrag.
• Ausblick auf die Gesundheitsministerkonferenz Mitte Juni mit Fokus auf Prävention und die stärkere Verknüpfung von Gesundheitspolitik und Klimaschutz.
• Abschließende Einschätzung: Die gesundheitspolitische Landschaft steht vor großen Herausforderungen – von der GKV-Finanzkrise über die Krankenhausreform bis zu Streit um das Primärarztsystem und die GOÄ-Novelle. Es braucht schnelle, strukturierte Lösungen und einen ehrlichen Dialog zwischen Politik und Selbstverwaltung, um die Versorgung zukunftsfest zu machen.
Schreiben Sie uns Anregungen und Ideen an: pulsschlag-politik@cnplusf.de. Wir hören uns wieder am 7. Juli 2025. Bis dahin alles Gute!
Transkript anzeigen
00:00:00: Guten Tag. Ich begrüße Sie zu Pulsschlagpolitik, den gesundheitspolitischen Themen dieser Sitzungswoche.
00:00:20: Udo Sonnenberg und Christoph Nitz werden immer Dienstags in jeder Sitzungswoche die anstehenden Themen kommentieren.
00:00:26: Sonnenberg ist Politikberater in Berlin. Er gründete 2013 die Beratungsgesellschaft 11.0.11
00:00:33: und ist seit 2015 Geschäftsführer des Bundesverbandes "Deutscher Versand-Apotheken" BVDVA.
00:00:41: Christoph Nitz ist Journalist in Berlin. Als Leiter des MECO Factory Redaktionsbüros wird mit er sich besonders gesundheitspolitischen Themen.
00:00:50: Das Redaktionsbüro erstellt Nachrichten-Podcasts und Newsletter.
00:00:54: Willkommen bei Pulsschlagpolitik. Das politische Berlin sortiert sich neu und im Bundestag beginnt die Arbeit langsam in Strukturen wieder zu beginnen.
00:01:06: Mit dabei bei Pulsschlagpolitik wie immer Udo Sonnenberg, schön, dass du da bist, Udo.
00:01:11: Hallo Christoph.
00:01:12: Ja, der Gesundheitsausschuss des Bundestags hat sich konstituiert. Die Leitung übernimmt dort künftig, was ein bisschen überraschend war.
00:01:20: Dr. Tanja Machalet von der SPD, sie ist eine wirtschaftlich versierte Pragmatikerin aus Rheinland-Pfalz.
00:01:27: Und der Wunsch wäre, dass sie den Ausschuss mit ruhiger Hand führen könnte und das wäre auch ein wichtiges Zeichen und Signal in diesen bewegten Zeiten.
00:01:37: Bei den Gesundheitspolitischen Sprecherinnen gibt es ebenfalls neues. Dr. Christoph Panthazis ist künftig das Gesicht der SPD-Gesundheitspolitik.
00:01:48: Simone Borchardt übernimmt diese Rolle für die Unionsfraktion und die Grünen setzen auf Kontinuität.
00:01:55: Mit dem Mediziner Dr. Janosch Dammen. Der Ausschuss ist bereit. Die Herausforderungen sind es allerdings auch.
00:02:03: Also ready when you are. Wie sieht es aus, Udo? Was passiert im Gesundheitsausschuss?
00:02:08: Ja, Gesundheitsausschuss diese Woche, das ist ja auch immer Teil unserer Diskussion hier. Was passiert in der laufenden Sitzungswoche des Deutschen Bundestages?
00:02:19: Die Beratungen, du hast es angesprochen, laufen an. Und für den Gesundheitsausschuss ganz konkret steht für morgen auf der Tagesordnung.
00:02:30: Sie ist noch recht überschaubar, aber es sind drei Tagesordnungspunkte. Es geht um den aktuellen Bericht bzw. die Selbstbefassung, Stichwort Pandemieabkommen.
00:02:42: Tagesordnungspunkt 2 im Ausschuss, auch eine Berichterstattung, gewissermaßen beschäftigt sich mit dem Schiedsspruch zum Vertrag über die Hebammenhilfe mit dem Schwerpunkt zur Situation der Beleghebammen.
00:03:00: Und Tagesordnungspunkt 3, das ist tatsächlich nochmal ein wenig interessanter. Da geht es um ein Vertragsverletzungsverfahren.
00:03:10: Die EU-Kommission hat am 22.05. jenes eingeleitet gegen die Bundesregierung oder gegen Deutschland und 13 weitere Mitgliedsstaaten.
00:03:24: Die EU-Kommission hat im Deutschland und wie gesagt 13 weitere Mitgliedsstaaten aufgefordert, die Vorschriften zur Anerkennung der Berufsqualifikation von in Rumänien ausgebildeten Krankenschwestern und Krankenpflegern vollständig umzusetzen.
00:03:41: Diese Frist ist Anfang März, genau gesagt am 4. März abgelaufen und die EU-Kommission hat eben jetzt ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet und bittet nicht nur, sondern setzt Fristen für die vollständige Umsetzung dieser neuen Vorschriften in nationales Recht.
00:04:01: Und ja, das ist nicht nur die einzige Reformbaustelle, es gibt jede Menge weitere, die auch mit Geld zu tun haben, Christoph.
00:04:10: Ja genau und auch der SPD-Gesundheitspolitiker Christoph Pantazis macht jetzt Druck.
00:04:17: Seine Botschaft ist, wir brauchen eine dreikleisige Strategie. Zum einen weniger Ausgaben, sofortige Finanzhilfen und endlich Strukturreform und alles gleichzeitig und alles am besten sofort.
00:04:31: Die neue Gesundheitsministerin in Nürburgen sieht es offenbar ähnlich. Sie fordert Steuern, Zuschüsse, spricht von einem Notpaket für die gesetzliche Krankenversicherung und will alte Schulden der Pflegeversicherung ausgleichen lassen.
00:04:46: Auch Finanzminister Lars Klingbeil signalisiert Gesprächsbereitschaft aber nicht ohne Gegenleistung. Mehr Geld nur, wenn strukturell etwas passiert.
00:04:56: Kommen Leistungskürzungen wird wohl eher schwierig. Kann man die Beiträge weiter erhöhen, sehe ich ebenfalls problematisch. Am Ende die Botschaft ist klar, Geld, vor allem mehr Geld wird allein das System nicht mehr retten.
00:05:13: Oder wie siehst du das?
00:05:15: Genau, dennoch kommen wir wahrscheinlich nicht umhin, einen Blick auf die insgesamt finanzielle Lage der gesetzlichen Krankenkassen zu werfen.
00:05:26: Denn die Finanzlage, wir haben es hier öfter angesprochen, ist aktuell alles andere als rosig. Der Ökonom Nikolas Zierbad, Leiter des Forschungsbereichs Arbeitsmärkte und Sozialversicherung am ZEW in Mannheim, schlägt hier auch Alarm.
00:05:46: Die Einnahmen der Kassen reichen strukturell nicht aus, um die Ausgaben zu decken, soweit so klar. Und schon aktuell müssten viele Krankenkassen die Zusatzbeiträge erhöhen und es klafft immer noch ein Finanzloch von rund 5,5 Milliarden Euro.
00:06:04: Und kurzfristig könnte der Staat einspringen und mit Steuergeld helfen, ja, dann steigen die Beiträge nicht noch weiter, doch das eigentliche Problem ist damit natürlich nicht behoben und das System bleibt weiter teuer und ineffizient und besonders schlecht.
00:06:23: Schneide Deutschland ja kantermaßen mittlerweile im internationalen Vergleich bei der Koordination der Patientenversorgung ab, Doppeluntersuchung, unnötige Behandlungen, lange Wege zwischen Haus- und Fachärzten.
00:06:38: All das steht für die Patientinnen und Patienten leider auf der Tagesordnung. Möglicher Ausweg könnte ein flächendeckendes Hausarztmodell sein.
00:06:49: Wir kommen da später noch genauer drauf zu sprechen. Das steht ja auch im Koalitionsvertrag und wird aber immer noch nicht umgesetzt. Die aktuelle Regierung plant es ja.
00:06:59: Nichtsdestotrotz kritisiert der Ökonom, dass tatsächlich jetzt erst eine Kommission wieder Vorschläge erarbeiten soll bis 2027 und Herr Zirbert sieht das eben auch als viel zu spät an und fordert sofortige Strukturreformen.
00:07:17: Du hast es eben auch gerade schon angedeutet. Er blickt auch ein bisschen über den Tellerrand hinaus. Es geht ja nicht nur immer ums Geld, auch das wurde gerade schon kurz adressiert.
00:07:29: Deutschland gibt fast so viel für Gesundheit aus wie die USA, bekommt dafür aber nur mittelmäßige Ergebnisse und der Herr Zirbert meint in diesem Zusammenhang weniger Geld ausgeben und trotzdem besser versorgen.
00:07:42: Das ist auf jeden Fall möglich. Langfristig steigen die Ausgaben weiter. Das ist leider auch ein Fakt vor allem wegen der alternen Bevölkerung, stichwort demografischer Wandel.
00:07:55: Ziel muss deswegen auch sein diesen Anstieg möglichst zu verlangsamen, damit die Sozialbeiträge insgesamt nicht völlig aus dem Ruder laufen.
00:08:05: Und wer jetzt denkt, man könnte das Problem durch mehr Einnahmen beispielsweise, etwa durch eine Bürgerversicherung oder höhere Beiträge für besser oder gutverdiener lösen, der ird laut Herr Zirbert, denn das würde seiner Meinung nach an den eigentlichen Schwächen im System nichts ändern.
00:08:28: Deswegen macht der folgenden Vorschlag, dass man kleinere Einkommen möglichst entlastet, um den Anreiz zur Arbeit zu erhöhen und das kostet sicherlich auch erstmal Geld.
00:08:42: Aber die Priorität sieht der Ökonom ganz klar in einer besseren, effizienteren Organisation des Systems und nicht bei neuen Finanzierungsmodellen.
00:08:53: Ja, die allgemeinen GKV-Finanzen, es bleibt ein Dauerbrenner und hat natürlich auch aktuell Auswirkungen auf die Krankenhausfinanzen, lieber Christoph.
00:09:06: Ja, exakt, das stimmt. Und bei den Krankenhäusern fehlt Land auf Land ab, hinten und vorne am Geld.
00:09:13: Die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, Katharina Schenk von der SPD aus Thüringen, fordert deshalb rasch eine Zwischenfinanzierung bis 2027, bis ja die Ergebnisse der Kommission vorliegen sollen.
00:09:28: Denn ohne zusätzliches Geld drohen viele Kliniken die Luft auszugehen. Die neue Bundesregierung müsse jetzt liefern und nicht irgendwann sagt Frau Schenk.
00:09:39: Offen ist auch, wann die fehlenden Verordnungen zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz kommen, da drängen die Länder ebenfalls auf Klarheit.
00:09:48: Allerdings muss man sagen, es sind gerade die Länder, die seit Jahren oder Jahrzehnten ihren Anteil an den Investitionskosten nicht so erbringen, wie sie es denn sollten.
00:09:59: Das Bundesland Berlin hat nach Beschluss der Reform sogar seine Krankenhausinvestitionen in den kommenden Finanzplänen abgesenkt.
00:10:08: Das ist natürlich ein fatales Signal. Wenn Landesmittel fehlen, finanzieren viele Kliniken die notwendigen Investitionen inzwischen über die Betriebskosten, also aus den Erstatungen, die sie von den Krankenkassen erhalten.
00:10:23: Fazit ist, die Länder wollen bestimmen, sie zahlen aber nicht adäquat und die Bundespolitik möchte das zunehmend nicht mehr hinnehmen, das bei einer der zentralen Punkte auch der Regierungskommission zur Erarbeitung der Krankenhausreform.
00:10:38: Rauschen gibt sich kooperationsbereit, hat der Gesundheitsministerin Barken Glückwünsche geschickt und sie die Ministerin zum GMK, also zum Treffen der Bundes-, der Landesgesundheitsminister im Juni eingeladen.
00:10:56: Die Bundesländer wollen beim Krankenhausumbau mit einer Stimme sprechen und erwarten, dass der Bund sie ernst nimmt.
00:11:04: Ein aufschnürn der Reform, die ja sehr schwierig durch Bundestag und Bundesrat ging, steht allerdings nicht mehr zur Debatte.
00:11:13: Jetzt braucht es realistische Anträge für die Leistungsgruppen und eine ehrliche Kommunikation, auch wenn diese unpopulär sein könnte, sagt Frau Schenk.
00:11:23: Wir aber sehen denn die Wächter über den Bundeshaushalt beim Bundesrechnungshof die ganze Sache mit der Reform.
00:11:30: Ja, durchaus ein wenig kritisch, der Bundesrechnungshof fordert, die Bundesländer sollen bei der Finanzierung der Krankenhausreform deutlich stärker zur Kasse gebeten werden.
00:11:41: Der Transformationsfonds, der zwischen 2026 und 2035 rund 50 Milliarden Euro für Klinikumbauten bereitstellen soll, sieht aktuell eine helftige Finanzierung durch Länder und Bund vor.
00:11:56: Doch genau das ist auch Kritikpunkt des Rechnungshofs.
00:12:00: Die Beteiligung der Länder sei zu niedrig angesetzt, ja, kritisiert der Bundesrechnungshof.
00:12:06: Denn die Länder müssen laut aktueller Regelung lediglich so viel wie im Durchschnitt der Jahre 2021 bis 2023 beitragen.
00:12:16: Ein Zeitraum, in dem sie laut Rechnungshof schon viel zu wenig investiert haben.
00:12:21: Allein von 2014 bis 2021 fehlten bundesweit 17,4 Milliarden Euro für die notwendigen Investitionen in Krankenhäusern.
00:12:30: Und der Bundesrechnungshof spricht auch gleich eine Warnung aus.
00:12:34: So wie es momentan oder jetzt geplant ist, können die Länder weiterhin zu wenig investieren und trotzdem Bundesmittel erhalten.
00:12:45: Und das verfestigt aus Sicht des Bundesrechnungshofs eine gefährliche Schieflage.
00:12:51: Und das Bundesgesundheitsministerium müsse hier dringend die Förderbedingungen des Transformationsfonds nachbessern,
00:12:59: sonst sei das Fehlverhalten der Länder quasi zementiert, so der Bundesrechnungshof.
00:13:06: Außerdem kritisiert der Rechnungshof, dass mit dem Geld aus dem Sondervermögen-Infrastruktur keine Betriebskostenlücken aus der Vergangenheit gestopft werden dürfen.
00:13:18: Diese Mittel seien ausschließlich für Investitionen gedacht, etwa für Neubauten oder moderne Technik, nicht aber für die laufenden Kosten.
00:13:27: Auch mit den Corona-Hilfen der vergangenen Jahre geht der Bundesrechnungshof hier einigermaßen hart ins Gericht.
00:13:36: Der sogenannte Versorgungsaufschlag den Jens Spahn,
00:13:40: als Minister eingeführt hatte, sei ohne belastbare Datengrundlage berechnet worden,
00:13:46: schlecht abgegrenzt von anderen Hilfen und habe zudem in der Praxis keinerlei Wirkungskontrolle
00:13:53: gehabt. Krankenhäuser erhielten bis zu 9.500 Euro zusätzlich pro Patient, unabhängig
00:14:00: davon, ob die Covid-Infektion überhaupt der Grund für die Einweisung war. Parallel
00:14:06: schlossen Milliarden in weitere Hilfen, etwa die Freihaltepauschale, auch hier ohne genaue Prüfung,
00:14:12: ob tatsächlich Betten freigehalten wurden. Fazit des Rechnungshofes, die Förderung sei
00:14:20: planlos und habe den tatsächlichen Bedarf oft verfehlt. Und ein letzter Ausblick Mitte Juni
00:14:27: wird sich die Gesundheitsministerkonferenz, du hast sie gerade schon angesprochen, Christoph,
00:14:32: unter anderem mit dem Thema Prävention beschäftigen. Dabei geht es auch darum,
00:14:38: Gesundheitspolitik mit anderen Bereichen stärker zu verknüpfen, etwa dem Klimaschutz,
00:14:44: denn Hitze, Luftqualität, Klimawandel haben direkten Einfluss auf die Gesundheit.
00:14:48: Gut, Prävention sei dabei wirtschaftlich wie gesellschaftlich entscheidend,
00:14:55: aber im Koalitionsvertrag kommt das tatsächlich ein bisschen wenig zum Ausdruck, das wiederum
00:15:04: kritisieren auch die Länder. Darum führen wir jetzt einen kleinen Themenwechsel durch,
00:15:10: Christoph, wir springen zum Ärztetag. Genau, wir schauen uns den 129. deutschen
00:15:18: Ärztinnen und Ärztetag in Leipzig an. Vanina Wagen war es der erste große Auftritt als
00:15:25: Gesundheitsministerin und sie nutzte diesen Auftritt vor allem, um ihre Gesprächsbereitschaft
00:15:31: zu demonstrieren. Besonders bei einem geplanten Primerärztesystem will sie mit der Selbstverwaltung
00:15:38: zusammenarbeiten, das ist so ein leichter Unterschied, den sie im Vergleich zu ihrem
00:15:43: Anzwirge Herr Karl Lauterbachter herausarbeiten möchte. Der Weg dorthin zum Primerärztesystem
00:15:51: ist noch unklar, auch weil die Ärzteschaft selbst darüber tief zerstritten ist zwischen dem
00:15:56: Hausärzteverband und der KBV Krachtestar gewaltig. Ministerin Wagen warnt vor einem reinen
00:16:05: Gatekeeping-Modell mit langen Wartezeiten und verweist auf internationale Negativbeispiele,
00:16:11: besonders die Hausärztin soll künftig eine wichtigere Rolle im Gesundheitswesen einnehmen,
00:16:16: wie genau sieht das aus, liebe Udo? Die Bundesregierung will bekanntermaßen, so
00:16:24: steht es ja auch im Koalitionsvertrag, die Rolle des Hausarztes werken. Künftig soll er, also die
00:16:33: Hausärztin der Hausarzt für die meisten Patientinnen und Patienten die erste Anlaufstelle im
00:16:37: Gesundheitssystem sein. Und ja, du hast es angesprochen mit diesem sogenannten Primärarztsystem,
00:16:43: will die Koalition aus CDU/CSU und SPD die Patientensteuerung verbessern, also unnötige Facharztbesuche
00:16:51: vermeiden und insgesamt Abläufe effizienter gestalten. Du hast gerade schon die Reaktion aus
00:16:58: der Ärzteschaft angedeutet, ja die fällt durchaus gemischt aus, wenn man es freundlich
00:17:04: formulieren möchte. Der Hausärzteverband steht natürlich oder steht mehr oder weniger hinter
00:17:11: dem Vorschlag, offiziell die Vorsitzende Nicola Bullinger-Göpfart sagt, das machen wir. 2 bis
00:17:19: 5 zusätzliche Patienten pro Tag, pro Praxis, seien durchaus machbar, so die Vorsitzende. Und ja,
00:17:27: die Patienten würden dann eben auch entsprechend in so einem Hausärzte-Programm besser versorgt
00:17:34: werden. Ein bisschen kritischer sieht es die Kassenärztliche Bundesvereinigung, der Vorsitzende
00:17:41: der Herr Gassen, Andreas Gassen findet, dass das Modell, ja Sinn ergibt, vor allem ab einem Alter
00:17:50: von 50 Jahren aufwärts, denn gerade in dieser Altherhölbsgruppe haben eben viele bereits mehrere
00:17:58: gesundheitliche Beschwerden und das brauche so Gassen eine ordnender Hand der Hausärzte.
00:18:05: Unterstützung kommt aus der Partei Bündnis 90, die Grünen auch hier mit ein bisschen Einschränkungen,
00:18:14: der Sprecher Dr. Janosch-Damen fordert, dass wenn das System verpflichtend eingeführt wird,
00:18:24: dann bitte richtig Hausärzte dürfen, nicht zu bloßen Facharzt-Türstehern, wie er es bezeichnet
00:18:32: werden. Es braucht mehr Zeit für die Versorgung, wir brauchen bessere digitale Terminvergaben und
00:18:38: natürlich zusätzliches, nichtärztliches Personal, was hier unterstützend eingreifen kann.
00:18:45: Ein weiteres Problem bleibt vielleicht mit Blick in die ländlichen Regionen, wo es schlicht an
00:18:52: Hausärzten fehlt und hier waren Gesundheitsexperte-Damen eben auch davor, wer eine Pflicht einführt,
00:19:01: ohne Lösungen zu schaffen, riskiert eine echte Unterversorgung, so seine Kritik. Dann haben wir
00:19:08: noch den Patientenschützer, den Herrn Brüsch, Eugen Brüschk, auch er äußert bedenken,
00:19:15: zwei Drittel seiner Meinung nach, der über 65-Jährigen, sein Multimobit, haben also eine
00:19:22: Mehrfacherkrankung und sie sollen von der Pflicht zum Hausarztmodell ausgenommen werden.
00:19:29: Ja, Brüschk befürchtet allerdings, dass Hausarztpraxen künftig überlaufen werden und hier
00:19:38: müsse die Politik entsprechend mit Anreizen gegensteuern, vor allem in sogenannten überversorgten
00:19:45: Regionen und beim Ärztenachwuchs auf dem Land sieht Brüsch eben erheblichen Nachholbedarf.
00:19:52: Ja, wenn Arztbesuche die wollen und müssen natürlich auch bezahlt werden, Christoph,
00:20:00: da springen wir noch mal zum Lieben Geld. Wir wollten über die Gebührenordnung für die Ärzte
00:20:07: sprechen. Die soll ja nach einigen oder nach vielen Jahren jetzt auch endlich mal angepackt werden.
00:20:12: Ja, richtig. Auch die Gesundheitsministerin Nina Wagenhoft auf eine Einigung bei der sehr
00:20:20: lange, du hast erwähnt, überfälligen Novellierung der Gebührenordnung für Ärzte, G-O-E, G-O-E. Doch
00:20:30: der Ausgang bleibt weiter offen. Ein deutliches Signal kam vom Ärzte-Tag, der hat die Novellierung
00:20:37: so mehrheitlich beschlossen. Es liegt nach einer jahrzehntelangen Diskussion damit erstmals
00:20:44: ein konzentrierter Vorschlag von der Bundesärztekammer und dem zuständigen PKV-Verband vor. Nina Wagen
00:20:53: begrüßte diesen Beschluss ausdrücklich und stellte klar, dass die Politik nun einen vollständigen
00:20:58: und nachvollziehbar kalkulierten Vorschlag benötige. Die Erwartung ist, dass gemeinsam mit den
00:21:04: Koalitionspartnern das dann auch umgesetzt werden soll. Die aktuelle G-O-E stammt noch aus dem
00:21:11: Jahr 1983 und ist deshalb logisch medizinisch und finanziell völlig veraltet. Ministerin Wagen
00:21:21: will die überfällige Reform jetzt zügig voranbringen, verweist aber auf die Notwendigkeit
00:21:25: einer politischen Abstimmung und das kann möglicherweise dauern. Es gibt von der G-O-E keinen
00:21:34: direkten Einfluss auf die GKV-Finanzen, weil die Leistung im System der gesetzlichen Krankenversicherung
00:21:42: wird mit dem einheitlichen Bewertungsmaßstab EBM abgerechnet. Allerdings gibt es wiederum
00:21:49: Bedenken, dass die Erhöhung der G-O-E-Sätze, also der privat ärztlich abgerechneten Leistung,
00:21:56: mittelbar auch Auswirkungen auf die Berechnung der Leistung im System der GKV haben könnte.
00:22:02: Gesundheitspolitikerinnen befürchten, dass höhere Honorare im privaten Sektor, da ist die Rede von
00:22:08: bis zu 14 Prozent, sollen die angehoben werden, zu einem Abwanderungseffekt führen könnten,
00:22:15: dass also Ärztinnen verstärkt privatversicherte Patientinnen bevorzugen könnten, was die
00:22:21: Versorgungssituation für die GKV-Versicherten verschlechtern könnte. Und insgesamt könnte
00:22:27: der Druck steigen, die Honorare im System der gesetzlichen Krankenkassen anzupassen,
00:22:33: um eben eine Gleichbehandlung sicherzustellen. Fazit, klar ist, der Ball liegt jetzt im Feld
00:22:40: der Regierung, die Erzsche schafft hat, mit dem Beschluss beim Erztetag geliefert. Ja, und man
00:22:47: kann auch festhalten, dass es beim besagten Erztetag in Leipzig jetzt nicht zu einem größeren
00:22:54: Eklat kam. Und ja, man hat sich jetzt darauf verständigt, gewissermaßen auch mit der neuen
00:23:06: Gesundheitsministerin Nina Wagen konstruktiv in Gespräche einzutreten, aber eine Schonzeit
00:23:14: will man ihr dann natürlich auch nicht politisch zubilgen. Und die Politikerin, CDU-Politikerin,
00:23:21: wurde bei ihrer Premiere ja mit freundlichem Applaus empfangen. Und der Ärztekammerpräsident
00:23:29: Klaus Reinhardt hat das aber gleich zum Anlass auch genommen. Der gute Ton würde keine politische
00:23:36: Schonung bedeuten. Gut, Reinhardt fordert eine enge Einbindung der Ärztinnen und Ärzte in künftiger
00:23:44: Form. Das ist durchaus verständlich und spielt eben hier ganz konkret auch um die auch an,
00:23:52: auf die umstrittene Amtszeit von dem Vorgänger, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach.
00:24:00: Und ja, sein Blick oder der Blick des Praktikers ist auch gleichzeitig eine Warnung aus Reinhardt's
00:24:10: Sicht. Reformen sind oft gut gemeint, aber eben selten gut gemacht, so sagt er. Dann noch macht er
00:24:18: deutlich, dass die geplante Termingarantie im neuen Hausarztmodell eine Behandlungskoordination mit
00:24:28: der Brechstange bedeuten würde. Das ist seine klare Kritik daran. Die Infrastruktur gebe das
00:24:35: aus Sicht Reinhardts schlicht nicht her und die Idee Facharzt Honorare in überversorgt
00:24:42: Gebieten zu kürzen, die kritisiert er natürlich auch scharf, denn das treffe aus einer Sicht eben
00:24:48: jene, die in Ballungsräumen ländliche Regionen mitversorgen letztendlich. Besonders verärgert
00:24:56: zeigte sich Reinhardt darüber, dass die eigentlich geplante Aufhebung des Honoradeckels für
00:25:01: Fahrärzte im Koalitionsvertrag nur noch als Prüfauftrag auftaucht und seine deutliche Ansage
00:25:08: hier Prüfaufträge sind die rhetorischen Schlafmittel der Politik. Die Frau Ministerin konnte diese
00:25:19: Aussagen offenbar nicht, sondern setzte mehr auf ihren Scham. Sie versprach Dialog, Zusammenarbeit,
00:25:27: gute Kommunikation und da wird man jetzt eben gucken müssen, ob das erreicht und die kritischen
00:25:35: Stimmen kurz und mittel aber auch langfristig zu besänftigen. Das wird man dann in den kommenden
00:25:43: Monaten sehen, was da genau passiert und sicher dürfte sein. Die Ärzteschaft will künftig
00:25:51: eben mehr miter reden. Du hattest das eben auch schon angedeutet Christoph und die lassen sich
00:25:57: nicht mehr mit Prüfaufträgen abspeisen. Ja und mit dieser an sich versöhnlichen, aber klaren
00:26:04: Botschaft, liebe Freunde des gesundheitspolitischen Podcasts "Pulschlag Politik" entlassen wir
00:26:12: sie in den nächsten Wochen. Wir hören uns wieder in der Sitzungswoche Anfang Juli, wenn Sie mögen
00:26:19: und ich sage vielen Dank lieber Christoph für das Gespräch heute Morgen und tschüss. Ja bis dahin
00:26:29: wünsche auch ich allen Hörerinnen alles Gute allerdings. Meine These mit schmarke Leihen
00:26:34: in der Gesundheitspolitik wird es nicht getan sein. Ich hoffe, Ihnen hat unsere Podcastfolge zur
00:26:41: Gesundheitspolitik in dieser Sitzungswoche des Deutschen Bundestags gefallen. Schreiben Sie uns
00:26:46: Anregungen und Ideen an. Pulschlag-Politik@cn+f.de. Wir freuen uns, wenn Sie wieder am 8. Juli dabei
00:26:57: sind bei der nächsten Folge unseres Podcasts "Pulschlag Politik".
00:27:01: Free Audio Post Production by alphanik.com
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